Schalten (u.a.) mit Methylgruppen

Epigenetik: Mehr als reine Vererbung – Wechselspiel von Genom und Umwelt

Autor:  Dr. Volker Henn

Eine menschliche Zelle könnte rund 20000 Gene aktivieren – doch den Großteil schaltet sie ab. Wie funktioniert das und welche Konsequenzen hat es? Antworten liefert die Epigenetik. In der CLB wurde diese Thematik erstmals mit dem Artikel „Vererbung an den Genen vorbei“ in Ausgabe 1/2-2017 angesprochen [1]. In den vergangenen knapp fünf Jahren hat sich das Forschungsgebiet rasant weiterentwickelt. Diese CLB vermittelt daher als Schwerpunkt eine aktualisierte Zusammenfassung wie auch neue Forschungsergebnisse.


Die DNA ist auch außerhalb von Mutationen nicht unveränderlich, zumindest außerhalb der Doppelhelix-Basenkette: Ständig werden kleine Moleküle an die Buchstaben des Erbguts angehängt und wieder entfernt (Abbildung 1). Proteine falten den DNA-Strang zusammen oder entwirren ihn wieder. RNA-Moleküle binden an die DNA und verdecken die Erbinformation. All diese Mechanismen schaffen eine neue Informationsebene auf dem Genom – das Epigenom (epi: griechisch auf). Hinsichtlich der Basenabfolge der DNA ändert sich hingegen nichts. Bei epigenetischer Vererbung wird also nicht die genetische Information selbst verändert, aber der Zugang dazu. Ein behelfsmäßiger Vergleich: Ein Tonband kann man besitzen, aber deswegen hört man die Musik noch nicht. Dazu muss man es abspielen. 

Die Epigenetik erklärt, wie identische Erbinformationen dazu beitragen, dass unterschiedliche Zellen entstehen – oder ganze Lebewesen. Aus einer mensch­lichen Stammzelle entstehen mehr als 200 verschiedene Gewebe, eine Bienenlarve wird entweder Arbeiterin oder Königin: In beiden Fällen ist es das Epigenom, das die Identität bestimmt. Es ist eine Art Gedächtnis für Gene und bestimmt, welche verwendet und welche abgeschaltet werden.

Spuren im Erbgut: Die Umwelt beeinflusst das Genom und steuert die Aktivität der Gene (Abb.: Volker Henn).

© 2021 Rolf Kickuth zurück zur Startseite